Sie sitzen in der Straßenbahn, irgendwo in Deutschland. Sie. Du, Er, Es, Ich, wir alle sitzen da und fahren gedankenlos von A nach B.
Wären wir in einem Musical, könnte der Text lauten:
"Du sitzt mir gegenüber und schaust an mir vorbei. Ich seh dich jeden morgen und manchmal auch um drei. Du bist mir mal sympathisch und manchmal eine Qual aber meistens egal, total egal..."
Doch wir sind nicht im Musical. Das hier ist die Realität. Noch schweigt sie, doch schon in wenigen Sekunden soll ihr Handy klingeln. Wir hören sie alle. Das junge Mädchen, von dem wohl niemand mehr sagen könnte, wie sie aussah, doch jeder, was sie zu sagen hatte. In der Straßenbahn, irgendwo in Deutschland.
Wir erfahren, dass "Süße" am anderen Ende der Leitung ist. Und dass es offenbar Unstimmigkeiten mit Lars gibt. Das angestrebte Happy End zwischen Lars und Süße wird dem Rest der Straßenbahn für immer eine offene Frage bleiben, oder auch in Musical ausgedrückt "egal, total egal"
Was wir nun im Kollektiv lernen ist, was die Steigerung von lieb haben ist.
Doll lieb haben. Und zwar ganz doll. Insgesamt sechs Mal. Ich gestehe, ich habe mitgezählt.
"Süße, ich hab dich ganz ganz ganz ganz ganz ganz doll lieb."
Jetzt schaut auch der schläfrige Typ gegenüber hoch. Hilfesuchend in meine Richtung, mit verdrehten Augen.
Ich nehme an, er überlegt noch ob er sich auf der Stelle übergeben oder schwul werden soll.
Wenige Sekunden später ist die Szene vorbei. Die Tür der Straßenbahn öffnet sich und sie steigt aus.
Und ganz anders als im Musical, sind sich ausnahmsweise alle einmal sehr nah, wir können es an unseren Gesichern lesen:
Das fanden wir alle ganz ganz ganz ganz ganz ganz doll bescheuert.
Montag, 10. Dezember 2012
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen